29. November 2023
Präses und Superintendent würdigen funktionalen Pfarrdienst im Saarland
Evangelische Kirchengemeinden und Seelsorgende aus anderen Bereichen sollen sich künftig stärker wechselseitig vernetzen und austauschen. Im Gespräch mit dem Präses der Rheinischen Landeskirche baten Vertretende des „Funktionspfarrdienstes“ aber auch um Unterstützung für ihre Arbeit.
In den Debatten der vergangenen Jahre standen meist ausschließlich die Pfarrerinnen und Pfarrer im Gemeindedienst im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie sind diejenigen, die durch Verluste an Kirchenmitgliedern und Zusammenlegungen von Kirchengemeinden direkt betroffen sind. Neben ihnen gibt es im Saarland aber noch über 30 Stellen im sogenannten „Funktionsdienst“, also Seelsorgende etwa in Krankenhäusern, Gefängnissen, Schulen oder bei der Telefonseelsorge.
Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, suchte deshalb im Rahmen seiner Visite des Kirchenkreises Saar-West gerade das Gespräch mit elf Vertreterinnen und Vertretern dieser weniger wahrgenommenen Berufsgruppe.
Die Vorteile des Dienstes an besonderen Einsatzorten ist offenkundig. „Wir erreichen ganz andere Menschen im Funktionsdienst und das auf eine Art und Weise, wie es Menschen gar nicht erwarten“, erzählte der in diesem Jahr aus dem Dienst ausscheidende Ulrich Harth von seinen Erfahrungen in Gemeinde, Krankenhaus und Schule. Aus vielen Gesprächen seien seine Gegenüber herausgegangen mit einem neuen Bild, wie Kirche auch sein könne.
Nicht selten würde sich aus diesen positiven Erfahrungen mit Kirche mehr ergeben. „Mache ich eine gute Trauerbegleitung, werde ich für die Trauerfeier angefragt. Stehe ich den Eltern von Frühchen bei, werde ich später gerne gebeten, die Taufe zu übernehmen“, fasste Andrea Lermen, Klinikseelsorgerin auf dem Saarbrücker Winterberg, die Schnittstelle zwischen Seelsorgearbeit und klassischen kirchlichen Amtshandlungen zusammen.
Gerade die Seelsorgerinnen in Krankenhäusern berichteten von großer Zufriedenheit und hoher Wertschätzung in ihren Arbeitsgebieten. „Mit 95 Prozent meiner Arbeitszeit bin ich hier Pfarrerin. Das ist das, wofür ich studiert habe – nah bei den Menschen sein“, sagte Birte Bernhardt, die seit kurzem an den saarländischen SHG-Kliniken tätig ist.
In den anderen Bereichen, in der Schule oder bei der Telefonseelsorge, sei der Bedarf an Begleitung, gerade von Kindern und Jugendlichen, „gigantisch“, weil seit der Pandemie deutlich gestiegen, waren sich die dortigen Seelsorgenden einig. Immer mehr junge Menschen würden ein offenes Ohr suchen zum Reden. Im Religionsunterricht etwa könnten viele Dinge offen angesprochen werden, die andernorts nicht zur Sprache kämen, sagte Berufsschulpfarrerin Manuela Kraft. Das ginge auch in gemischtreligiösen Klassen, denn wo in der Schulgemeinschaft „das Zwischenmenschliche ins Spiel kommt, sind wir gefragt.“ Gerade der Religionsunterricht steht aber derzeit unter Druck, an Berufsschulen und Gymnasien wurden unlängst Stunden gekürzt, an den Gemeinschaftsschulen sei dies zu befürchten. Darum baten die Schulseelsorgenden um Unterstützung durch die Landeskirche.
Präses Latzel bedankte sich bei den Funktionspfarrerinnen und -pfarrern für ihr beeindruckendes und persönliches Engagement. Illusionen verbreitete der leitende Geistliche der Landeskirche zwischen Emmerich und Saarbrücken jedoch keine: Aufgrund des erheblichen Nachwuchsmangels im Pfarrberuf würde es gar nicht anders gehen, dass perspektivisch auch im funktionalen Dienst Stellenanteile reduziert werden müssten, da diese nicht mehr besetzt werden könnten. „Wir müssen uns von bisherigen Formen lösen, das System ändern, dafür braucht es Bereitschaft auf allen Ebenen“, so Latzel, der dafür warb, als Evangelische Kirche an einem Strang zu ziehen.
Christian Weyer, Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, betonte aber, dass keine Seelsorgegebiete komplett aufgegeben werden sollten. „Wir stehen zur Vielfalt der Einsatzorte des pastoralen Dienstes“, betonte Weyer. Gleichwohl sei eine stärkere Vernetzung mit den Kirchengemeinden unvermeidbar, um beide Bereiche zu stärken und zu festigen.
Es gehe darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Funktionspfarrer:innen nicht nur als Vertretungen wahrgenommen würden. Vielmehr seien sie und die Menschen in ihren spezifischen Seelsorgebereichen Teile der großen Gemeinschaft der Kirche, wenn auch teils in ganz anderen Formen. Somit bedürfe es einer beiderseitigen Offenheit, etwa dahingehend, dass Kirchengemeinden bei Bedarf dauerhaft Räumlichkeiten zur Verfügung stellten, in denen sich Gruppen außerhalb der Parochie treffen könnten. Das würde, so Telefonseelsorgepfarrer Volker Bier, „die Funktionspfarrer auch in den Ortsgemeinden sichtbar machen“.